Funktion: Musikautor
Erstellungsdatum: 23.05.2008
LP+CD+MP3+Wave
Der Artikel behandelt die Publikation High Culture Motherfucker, Informationen zum gleichnamigen Werk sind hier zu finden. Die Entstehung- und Begleitumstände sind zudem in diesem Artikel beschrieben.
VÖ: 23. Mai 2008 (LP+CD+MP3+Wave)
Künstler: Thomas Christoph Heyde
Titel: HCMF (High Culture Motherfucker)
Format: Black 12” LP (4 Werke) / limited deluxe Digipack CD (6 Werke)
Land: Leipzig, Germany
Kat.Nr: PNR 014 (LP), HCMF 001 (CD)
CD1 / LP A1: Fieldz 11’01’’
CD2 / LP A2: High-Culture-Motherfucker 10’41’’
CD3 / LP B1: 3xShort-3xLong 05’04’’
CD4 / LP B2: Waves From Underground 12’12’’
CD5: Fernen 09’10’’
CD6: memory-faded (No. I-IV) 06’38’’
Alle Stücke von Thomas Christoph Heyde entstanden in den Jahren 2001-2008. Aufgenommen im Studio des MDR, live beim Festival MachtMusik in der Leipziger Baumwollspinnerei und im TCHeyde Studio.
Der Künstler:
Der Komponist Thomas Christoph Heyde gibt eine Schallplatte heraus! Nüchtern betrachtet keine besondere Schlagzeile. Doch wenn in diesem Fall der »Phönix« aufsteigt, wird der Eingangsatz nicht weniger als neu definiert sein! Thomas Chr. Heyde ist neben seinen vielen kuratorischen Tätigkeiten, seiner Arbeit als Produzent und Autor vor allem eines: ein außergewöhnlicher Komponist. Er darf sich unter anderem auf die Fahne schreiben, einer der wenigen Aktiven und öffentlich präsentesten »jungen Wilden« zu sein, die den festgefahrenen Festivalbetrieb innerhalb der »Neuen Musik« kritisierten. Trotzdem blieb Heyde bei Kollegen und Repräsentanten der Szene künstlerisch überaus geachtet, wenn nicht gar gefürchtet. Durch den im Mai 2008 erscheinenden Tonträger schließt sich ein Kreis von Aufführungen in Konzerthäusern u.a. in Berlin, Boston, Zürich und Leipzig, bis hin zu renommierten Clubs, wie dem Leipziger »Ilses Erika« oder im morbiden Ambiente des »UT Connewitz«. Der Tonträger, der den Namen »High Culture Motherfucker« trägt, ist dabei in erster Linie als »Katalog« zu sehen, erfüllt aber auch alle Anforderungen an ein markttaugliches »Produkt« und präsentiert sich auch als solches dem Hörer und Käufer. Die erste Besonderheit ist sicher das Erscheinen als Vinyl Schallplatte. Alle audiophilen Freunde von Avantgarde Musik können aufatmen, ist die Vinyl doch der einzige Tonträger, der frei von digitalen Artefakten die klangliche Fülle eines Heyde Stückes abzubilden vermag. Aber auch die CD Version braucht sich nicht zu verstecken. Neben geradezu penibler Sorgfalt im Mastering Prozess, bekommt der Hörer hier zwei zusätzliche Stücke zu Ohren. Abgerundet werden beide Formate durch eine exzellente grafische Umsetzung durch die HGB-Absolventin Simone Müller. Doch was ist zu hören auf der ersten Soloveröffentlichung des in Leipzig geborenen Komponisten? Zu hören gibt es 4 (bzw. 6 auf der CD) längere, aktuelle Stücke von Heyde, angesiedelt zwischen »zeitgenössischer Kammermusik« und »Neuem Realismus« mit Elektronik bzw. Live-Elektronik. Unüberhörbar sind aber auch die Einflüsse von Noise bzw. Ambient, Hörspiel und Filmmusik und natürlich »Klassik«. Dass die Platte beim Leipziger Elektronik Label Phantomnoise Records erscheint, betont den offenen, von Scheuklappen befreiten Blick eines Künstlers, der im Gegensatz zu vielen Komponistenkollegen ein Sendungsbewusstsein hat.
Das Label Phantomnoise Records:
Im Jahr 1998 von Alexander Dreyhaupt als Vinyl Label für experimentelle elektronische »Dance« Musik gegründet. Getragen vom zentralen Gedanken: Musik bedarf immer auch einer haptischen Erweiterung des Klangraumes, wurde immer auf das vergleichsweise teure Material Vinyl gesetzt. Zusätzlich spielen Verpackung, Grafik und von Release zu Release individuelle Besonderheiten wie farbiges Vinyl eine große Rolle. Künstler aus Deutschland, Belgien, Österreich und zuletzt Brasilien fanden auf diesem außergewöhnlichen Label eine Heimat. Zusätzlich darf sich Phantomnoise Records rühmen, letzter Geheimtipp des wichtigsten Radio-Djs der englischen BBC, John Peel gewesen zu sein, bevor dieser im Oktober 2004 verstarb. Dieser »Ritterschlag« wurde jährlich nur 12 Labels zuteil und hatte ein weltweites Medienecho zur Folge. Auch die weltweit Millionen Hörer erreichende »Deutsche Welle« berichtet zuletzt 2007 eine ganze Woche über die Aktivitäten dieser Leipziger Plattform.
Das Label HCMF Records:
Als Labelneugründung des Komponisten Thomas Heyde werden hier nicht nur eigene Produktionen, sondern auch Produktionen aus dem Umfeld des Forum Zeitgenössischer Musik publiziert. Wer Heydes Musik kennt, der ahnt, eine Labelgründung bedeutet: Grenzen sind ab 2008 dem Untergang geweiht.
(01.April 2008, Alexander Dreyhaupt [Phantomnoise Records])
LP & CD Cover und Booklet Design von Simone Müller aka SZIM
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LVZ/Leipziger-Volkszeitung, 31.07.2008, S. 9
Ausgabe: Leipziger Volkszeitung-Stadtausgabe/Stadtausgabe / Ressort: Kultur
Der Leipziger Komponist Thomas Christoph Heyde spielt eigene Werke für Instrumente und Live-Elektronik ein
Schöne Platte – vor allem als Platte
Der Untertitel ist sachlich: „Works for Instruments and Live Electronics“, Werke für Instrumente und Live-Elektronik eben. Der eigentliche Titel verwirrt auf den ersten Blick: „HCMF“. Auf den zweiten soll er wohl ein wenig provozieren. Denn „HCMF“ steht für High Culture-Motherfucker, was Englisch ist und so viel bedeutet wie Hoch-Kultur-der-Mutter-Beiwohner. Dem Mitteldeutschen Rundfunk war das 2003 zu schweinisch, weswegen das Stück seinerzeit in der Sendermusik so nicht heißen durfte.
Nun heißt so also ein ganzes Album, nicht nur eine CD, sondern auch eine richtige Schallplatte. Denn Heyde hat seine tönende Werkschau auf beide Tonträger gebannt, aufs silberne Digital-Medium und die gute alte Langrille. Die auch in diesem Falle besonders gut ist. Weil die akustischen und elektronischen Effekte und Zaubereien des Leipzigers von der Nadel abgetastet noch satter klingen, noch dichter, noch dynamischer. Und weil das gute alte Medium gut passt zur Attitüde der Platte. erinnert in ihrer kruden Mischung aus Geräuschen und Tönen, aus Elektronik und Handgemachtem, aus schlichten Patterns und wildem Aktionismus stark an Konzept-Alben der späten 60er und frühen 70er. Besonders das erste Stück, „Fieldz“ für Klavier, vier Perkussionisten, Plattenspieler und Live-Elektronik, lässt an die frühen, wilden, durchgeknallten, gleichermaßen ambitionierten wie naiven Alben von Pink Floyd denken. Und derlei Wanderungen im Niemandsland zwischen allen Genres und Gattungen sind so ganz nach dem Geschmack des Leipziger Komponisten und Festival-Machers. Auch das mit vier Schlagwerkern, Samplern und Live-Elektronik besetzte Titelwerk spreizt sich hinreißend unkonventionell zwischen ekstatischem Gedengel und der subtilen Erkundung der Stille.
Wunderbar sorglos gehen die minimalistischen Ausschnitte von „3 x short – 3 x long, simple Pieces for Opportunists“ mit dem Material um, die Ruhe der Bewegung mit der Schärfe des Klangs verbindend. Dagegen tendieren die „Waves from Underground“ für Fagott und Live-Elektronik ein wenig zur Geschwätzigkeit, die „Fernen“ für drei Blockflöten und Live-Elektronik zum Leerlauf. Aber „Memory – Faded“ für Bratsche, Klavier und Live-Elektronik bündelt wieder all die anarchistische Spielwut, die den neuen Heyde ausmacht. Die Interpreten (Heyde, Leipziger Schlagzeugensemble, Ensemble Mosaik, Axel Andrae, Ensemble Les trois en bloc, Matthias Sannemüller, Frank Peter) sind durchweg exzellent, die Klangqualität ist es auch. Eine schöne Platte, durchgeknallt, witzig, sinnlich. Vor allem als Platte.
(Peter Korfmacher)
Weitere nationale und internationale PRESSESTIMMEN zur Veröffentlichung von HCMF.
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