Funktion: Komponist
Erstellungsdatum: 1999/2000
für Englisch Horn, Fagott, Gitarre und Viola
nach Bildern von Sylvia Perlet-Pfefferkorn einem Foto Joseph Boys von Ute Klophaus und einem Film von Fred Kelemen
- Frost
- Die Mühle
- Lauschender
- Stillleben
- Sehen und Sucht
- Der Gipfel
- Zwischenfrage
- Ohne Titel
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Ansichtennetz entstand im Auftrag des Ensemble Sortisatio mit der Besetzung Englisch Horn, Fagott, Gitarre und Viola. Grundlage des Werkes sind fünf Bilder von Sylvia Pfefferkorn (”die mühle”, “stillleben”, “zwischenfrage”, “der gipfel”, “ohne titel”), ein Foto von Joseph Beuys von Ute Klophaus (”lauschender”) sowie ein Film Von Fred Kelemen (”frost”). Lediglich “sehnen+sucht”, das mit fünf Takten kürzeste Werk, hat keine außermusikalische Grundlage.
Grundlage?
Wie im Titel schon angedeutet, ging es bei der Umsetzung dieses “Kompositionsprojektes” weniger um Vertonung im Sinne einer Übersetzung oder gar um eine programmatische Ausdeutung des Inhalts; vielmehr sollte sowohl der visuellen Vorlage als auch der Musik ihr Eigenleben bzw. ihre Sicht im Netz der Ansichten auf die ihr eigene Weise erhalten bleiben. Lediglich die A t m o s p h ä r e der Werke und ihrer “Grundlage” verbindet und spinnt das Netz der Ansichten.
Nimmt man das extremste Beispiel, “frost”, wo ein 4 1/2 Stunden(!) langer Film, nahezu ohne Worte, in fast unerträglich-lebensnaher Langsamkeit die Geschichte zweier Menschen erzählt und dies in beeindruckenden, existentiell-poetischen Bildern; so ist klar, dass ein nicht einmal fünf Minuten langes Musikstück kaum dieser Filmgrundlage im Sinne einer Vertonung entsprechen konnte und überdies auch nicht sollte.
Eine weitere Besonderheit der Komposition(en) die auf das “Netz” in “Ansichtennetz” Bezug nimmt, soll nicht unerwähnt bleiben:
Zwei der Bilder von Sylvia Pfefferkorn (”die mühle”, “der gipfel”), entstanden anläßlich einer Komposition von mir (“Apparitionen IV”), sind also schon eine Interpretation.
Gerade dies war aber die Herausforderung: Nämlich ein Bild als dass anzuschauen, was es in seinem ganz individuellen Wesen ist, ohne die Fülle von Interpretationsmöglichkeiten, die sich aus der Erfahrung mit dem Material und der Nähe zum Stoff ergaben, voll zu berücksichtigen. Dass die Interpretation der Interpretation nicht in vollkommen gelassener Distanz durchsetzbar war, liegt auf der Hand; und eine künstliche Gelassenheit gegenüber der Interpretation des eigenen Werkes hätte wohl auch nur dessen Neutralisierung zur Folge. Sich also dem Vertrauten noch mal vorbehaltlos zu öffnen, bewegt sein, ohne eingenommen zu sein, dies trifft daher eher den Kern der Arbeit.
(Thomas Christoph Heyde)
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